Unser EU-Kandidat im Gespräch mit Harry Dierstein.
Stell‘ dich doch bitte all denjenigen kurz einmal vor, die dich noch nicht so gut kennen.
Ich bin fünfzig Jahre alt, komme gebürtig aus Trient, wo ich auch “Politische Wirtschaft” studiert habe und auch erfolgreich mit der Laurea abgeschlossen habe.
In Trient bin als Steuerberater tätig, arbeite dort aber nicht in einem eigenen Büro, sondern berate Unternehmen in den Bereichen Controlling, Finanzplanung, Organisation, Management von Datenbanken, die alle hauptsächlich in der Region angesiedelt sind. In Bozen war ich aber auch schon tätig, als ich drei Jahre für die Firma Arrow ECS (Computer Links) gearbeitet habe.
Außerdem bin ich verheiratet, meine Frau ist Rechtsanwältin, arbeitet im Trentiner Landtag und wir haben zwei Töchter, die 15 und 8 Jahre alt sind.
Wo setzt Du denn für dich die Schwerpunkte in deiner politischen Arbeit?
Die Zielsetzung lautet “Bürger, Klein- und Mittelunternehmen, sowie Umwelt im Mittelpunkt.” Diese drei Aspekte sind in der EU-Politik bisher stark vernachlässigt worden.
Unser Ziel ist sicherlich auch ein einheitlicher EU-Mindestlohn, der aber natürlich trotzdem an die jeweilige wirtschaftliche Situation eines jeden EU-Staates angepasst werden müsste.
Wir setzen vor allem auf die Klein- und Mittelunternehmen, denn diese bilden das wirtschaftliche Fundament unseres gesamten Gefüges und sind deshalb besonders wichtig.
Wie ist denn dein persönliches Verhältnis zu Europa?
Schon im Jahr 1992, als ich noch als Student am Erasmus-Programm teilgenommen habe, war ich bei allen Demos dabei, um mich für den Maastricht-Vertrag einzusetzen. In dieser Zeit haben noch sehr viele daran geglaubt, dass die EU ein Bündnis der Bürger unterschiedlicher Staaten werden könnte, das eine unkomplizierte und partnerschaftliche Mitarbeit zwischen den einzelnen Nationalstaaten fördern würde, also eine EU der Bruderschaft, der Solidarität und der gemeinsamen Wirtschaft.
All das, was man uns damals versprochen hatte, wurde nicht aber kaum umgesetzt, denn es wurde leider nur eine EU der Finanz-Lobbys.
Das möchte der M5S ganz konkret fundamental verändern, denn unser großes Ziel ist es nach wie vor, diese ideale EU für alle zu schaffen, diese ideale EU, wofür wir Studenten damals auf die Straße gegangen sind.
Aktuell haben wir eine EU der Großkonzerne, der Lobbys und der Banken.
Und der Rechtspopulismus ist eine Folge dieser finanziellen Hegemonie, die die Initiative von Klein- und Mittelunternehmen erstickt hat.
Gerade das Lobby-System, dass die europäische Banken- und Finanzwelt beherrscht, ist sicherlich auch eines der großen Probleme?
Wir wollen diese Mechanismen in Europa verändern, auch und vor allem im Hinblick auf die Budgetbeschränkungen. Um die Mechanismen zu ändern, muss der EZB zunächst ein Mandat erteilt werden, mit dem sie die Inflation unter Kontrolle halten und vor allem Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum anstreben muss.
Das ist ein Punkt, der wirklich schwer zu verstehen ist: Sie haben uns immer erzählt, dass der Staatshaushalt wie bei einem Unternehmen funktioniert, dass die Einnahmen gleich wie die Ausgaben sein müssen, wie in einer Firma. Aber eine Firma maximiert ihren Profit, der Staat hingegen muss das Wohlergehen der Bürger maximieren.
Solange die Inflation akzeptabel ist, kann in einem Staat eine Expansionspolitik in Bezug auf das Defizit durchgeführt werden, da das Defizit Geld in Umlauf bringt.
Was gibt es neben der Wirtschaft noch für Aufgaben, zum Beispiel im Bereich des Parlamentarismus, die es zu lösen gilt?
Es gibt in Europa leider noch eine große Lücke im Demokratiesystem: Als EU-Parlamentarier darf man nichts vorschlagen, man kann nur warten, was die EU-Kommission herausbringt, um danach darüber zu diskutieren. Deshalb möchten wir in Europa die Direkte Demokratie z. B. durch mehr Volksabstimmungen fördern, denn es ist eine hervorragende politische und auch historische Wunderwaffe für mehr Demokratie. Seit einigen Jahren gibt es Petitionen, die mit 1 Million Unterschriften die Vorschläge und Bedürfnisse der Bürger an das EU-Parlament weiterleiten, aber diese Petitionen bleiben ungehört und werden nicht umgesetzt.
Wie schätzt du denn die Wahlbeteiligung ein, glaubst du es werden viele Bürger zur Wahl gehen?
Wahrscheinlich wird es eher eine niedrige Wahlbeteiligung geben. Ich befürchte, dass das Phänomen der Nichtwähler bei der kommenden EU-Wahl leider wieder sehr ausgeprägt sein wird, aber ich lasse mich natürlich sehr gerne angenehm vom Gegenteil überraschen. Viele Bürger sind leider politikmüde und sagen: „Jeder redet gut, aber keiner tut etwas.“ Wenn ich an den Konferenzen teilnehme, höre ich alle Parteien, die über die Umwelt, kleine und mittlere Unternehmen und Rechte sprechen.
Aber es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Nehmen wir das Beispiel die Umwelt, die in Europa ein konkurrierendes Thema ist. Wenn Europa also keine Gesetze verabschiedet, werden die Staaten dies gesetzlich geregelt. Alle reden am Ende der Legislaturperiode über die Umwelt, nur um sich mit dem Thema zu beschäftigen und Werbung zu machen. Aber warum hat niemand etwas Konkretes getan? Die Leute müssen verstehen: Wo waren sie in den letzten 30 Jahren?
Die Umwelt ist einer unserer 5 Sterne, der M5S wurde vor allem mit sehr viel Engagement für die Umwelt geboren.
Wie sieht denn dein persönliches Wahlkampfprogramm für den Endspurt noch aus?
Bei diesen Wahlen ziehe ich viel von Region zu Region, nach Verona, Modena, Bologna, Rimini, Belluno, Padua. Wir alle bewegen uns: Wir sind eine Gruppe, eine starke Gruppe, wir sind viele und sehr kompetent. Fast alles Akademiker, aber mit einem starken Realitätsbezug. Das Wichtigste ist, Menschen zu haben, die wissen, was es bedeutet, zu arbeiten. Die andere arbeiten nicht in der “realen Welt”,
Die Politik muss wieder mit der realen Welt überstimmen.
Noch ein kurzes Statement zu politischen Mitbewerbern?
Die SVP geht immer dahin, wo die Macht ist. Ohne Rückgrat, wie ein Fähnchen im Wind. Sie haben ihre Geschichte verkauft, nur um sich ihre Sessel zu sichern.
Und Renate Holzeisen glaubt, dass sie sich um das Thema Umwelt aus ihrem Porsche Cayenne-SUV heraus kümmern könnte. Sie tritt mit +Europa ein, also mit Boninos Partei. Die Bonino hat mit Berlusconi regiert und will als Kommissarin nach Europa zurückkehren: Wo ist denn hier der frische Wind, was soll denn daran bitte neu sein?
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